Dies Domini – 22. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr A
Geht man derzeit durch unsere Städte und Dörfer, begegnen uns all überall auf Plakatständern, an Straßenlaternen und den großformatigen „Wesselmännern“ Wahlplakate aller möglichen und unmöglichen Parteien und Gruppierungen, auch solche, die uns, wie an der Kirche St. Laurentius in Wuppertal, auffordern, nur „keinen Scheiß“ mit unserm Kreuz zu machen, wozu ein „jesusartiger“ langhaariger Zeitgenosse uns freundlich lächelnd auffordert.
Und auch im Sonntagsevangelium geht es um das Kreuz, wenn Jesus seine Jünger auffordert, in seiner Nachfolge ihr Kreuz auf sich zu nehmen und ihm nachzufolgen.
„Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Mt 16,24)
Selbst die Lesung des Römerbriefs warnt vor der Gleichmacherei mit der Welt:
„Gleicht euch nicht dieser Welt an“ (Röm 12,2),
während der Prophet Jeremias unter dem Dilemma leidet, für seine Botschaft nur Spott und Hohn zu ernten, aber auch nicht stillhalten zu können und zu schweigen, weil ihn dann ein inneres Feuer verzehrt.
„Zum Gespött bin ich geworden den ganzen Tag, ein jeder verhöhnt mich.“ (Jer 20,7) und „Sagte ich aber: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen, so war es mir, als brenne in meinem Herzen ein Feuer, eingeschlossen in meinem Innern.“ (Jer 20,9)
Eine große, eine weltstürzende Sache mit dem Kreuz und der Botschaft Gottes und wir schlagen uns mit so banalen Fragen herum, wie der, wo unser „Kreuzchen“ bei der Wahl in einigen Tagen wohl am wenigsten Schaden stiftet.
Manchmal bin ich aber auch sehr dankbar dafür, dass nicht immer Weltverneinung oder –bejahung, Tod, Schuld, Sünde und Erlösung die den Alltag bestimmenden Fragen sind, sondern die kleinen, ja auch nicht so leicht zu beherrschenden Überlegungen, welche Parteienpräferenz man hat, wie man mit der Euro-, Türkei-, Nordkorea-, Russland- oder wo auch immer Krise umgehen soll. Schon diese sehr innerweltlichen, menschlichen Fragestellungen fordern uns heraus. Wir sollten vielleicht versuchen, auch in diese Fragen unsere weltanschauliche Position hineinzunehmen ohne gleich die Frage „Merkel oder Schulz“ zur alles entscheidenden Nagelprobe hochzustilisieren. Vielleicht ist es heute einmal ausreichend, unser Kreuz darin anzunehmen, dass jedwede politische Position, die man mit einigem Verstand akzeptieren kann, doch andererseits völlig unmöglich ist und uns nur übrigbleibt, uns mit dem kleineren Übel zu bescheiden? Wer wird bei einem Wahl-O-Mat Durchgang schon ein 100 % Ergebnis erzielen? Aber ist es andererseits nicht herrlich, dass wir in einer recht stabilen, friedvollen und doch mehrheitlich an den Menschenrechten, an Anstand und funktionierenden demokratischen Institutionen interessierten staatlichen Ordnung leben? Demokratie ist unsagbar schlecht, aber immer noch besser als alles andere, deswegen sollten wir vielleicht darin unsere Aufgabe sehen, trotz aller Mängel und Kritik eine Position zu suchen, die wir doch im Ganzen halbwegs akzeptieren können und unsere Zustimmung zu diesem Weg auch auszudrücken, nicht in fanatischem Jubel, aber doch mit einem zufriedenen Lächeln?
Sicher, die Höhe des Propheten Jeremia erreichen wir damit ebenso wenig wie den Apostel Paulus, der uns mahnt, uns selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen. Aber vielleicht darf man diesen hohen Ton auch mal verlassen und unser Leben nicht als Abfolge von Schuld und Versagen, Opfer und Kreuz ansehen mit fraglicher Erlösung, die die meisten von uns dann auch schon nicht mehr bewegt, sondern uns voller Dankbarkeit dem durch Jesus in die Welt gebrachten neuen Gottesbild der bedingungslosen Liebe zuwenden und ihm Geltung verschaffen in der Welt: Denn nur deswegen ist unsere Botschaft „liebenswürdig“ und nur deswegen kann sie ihre Anhänger bewegen, das, was sie tun sollen, auch gern zu tun (Kant nach E. Biser). Nehmen wir die Mangelhaftigkeiten unserer Zeit, die Mängel unserer Mitmenschen – vor allem der politisch tätigen – und auch unsere eigenen mal nicht zum Nennwert, sondern als kleine Kratzer in einer doch im ganzen erträglichen Patina auf dem Gottesbild, das wir nicht in allen Lebenssituationen sehen können, das aber dennoch immer da ist und uns einladen will, diese bedingungslose Liebe Gottes anzunehmen. Dieses Bild ist in den Weltreligionen einzigartig. Wir dürfen dafür dankbar sein.
Katharina Nowak
Author: Katharina Nowak
Katharina Nowak ist Diplom Theologin. Sie studierte in Bonn und arbeitet seit 2009 als theologische Assistentin bei der Katholischen Citykirche Wuppertal.
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